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Herzschlag im Winter

Herzschlag im Winter

Molina Gold
Winter - The Bold Woman

Im Winter schlägt das Herz in einem Rhythmus, der mehr zur Innenkehr, Ruhe und Selbstpflege führt. Warm eingepackt, hält man der Kälte stand und genießt die frische Luft, um sich danach auf dem Sofa mit einem warmen Tee und der Lieblingslektüre in der Hand wegzuträumen…

Kälte und Sturm werden zur Gemütlichkeit, Kerzen erwärmen die Dunkelheit.

Der Winter hat so viele schöne Facetten und mein Herz spürt die Dankbarkeit dafür, diese Qualität, die der Winter und schenkt, erleben und annehmen zu dürfen. Es ist gut und soll genau so sein. Die Natur weiß, was sie tut.

Wir Menschen haben über die Jahrtausende gelernt, uns eine Basis zu schaffen, die uns alle Mittel und Möglichkeiten schenkt, das Beste aus dem Winter herauszuholen. Unser Herz wir uns hierzu den richtigen Rhythmus geben, wenn wir tief in uns hineinhorchen.

Mir ist bewusst, dass es nicht jedem leicht fällt, die langen, dunkeln Tage mit ihrer kalten Natur herzlich zu begrüßen. Nicht jeder Tag fühlt sich gut an, doch das ist immer so, ganz gleich zu welcher Jahreszeit.

Der Winter jedoch nimmt das Herz anders ein, als Frühjahr, Sommer oder Herbst es tun. Er sammelt Herzen, welche keinen Schutz in einer Basis finden und seinen rauen Forderungen irgendwann nicht mehr standhalten können.

Diese Kolumne möchte ich jenen widmen, für die Winter Überleben bedeutet.

Mindestens 22 obdachlose Menschen sind in diesem Winter bereits in Deutschland erfroren (Stand Anfang Februar 2021). Seit dem Winter 2009/2010 war die Zahl nicht mehr so hoch.

Gülay Ulas schaut hier nicht weg: Vor 3 Jahren eröffnete sie für Obdachlose das „Sonnenscheincafé“ in Hamburg. Damals war das Winternotprogramm ausgelaufen, es war aber noch bitterkalt. Seitdem sind Obdachlose jeden Sonntag herzlich eingeladen, ein paar Stunden einfach zu sein, Kaffee und Kuchen zu genießen, sich auszutauschen…

„Die Art, wie die Stadt Notunterkünfte gestaltet, ist sehr pragmatisch. Die versuchen so große Orte wie möglich zu finden, damit sie so viele Menschen wie möglich abdecken können. Das Problem ist aber, wenn gerade eine Pandemie ist, ist es nicht so geil mit 32 Leuten in der Schlange zu stehen.…“

Gülay weiß auch, dass Unterkünfte insbesondere für Frauen gefährlich sind. Sie müssen mit Angriffen rechnen. „Frauen [auf der Straße] geht es besonders schlecht. Die meisten Frauen gehen der Sex-Arbeit nach. Die Frauen, die ich kennengelernt habe, die machen es nicht freiwillig.“

2019 gründete Gülay mit einem ehemaligen Obdachlosen GoBanyo. Sie geben Obdachlosen die Möglichkeit, sich zu duschen. Neben dem Duschbus ist ganz aktuell ein kleines Duschdorf gebaut worden, welches ich im Januar besucht habe. Erst beim Anblick frisch geduschter Menschen, welche aus der Kabine kommend den Fuß direkt wieder auf die Straße setzen, begriff ich, was es heißt, jederzeit in sein Bad gehen zu können. Und Schutz in den eigenen vier Wände zu haben. Denn, so rezitiert Gülay, viele Frauen sagen „ich trinke hier gerne einen Kaffee bei Euch, aber ich dusche mich nicht. Ich hab kein Bock, wieder angegangen zu werden. Ich will nicht fresh sein, damit ich nicht vergewaltigt werde.“

Bei Gülays abschließenden Worten für den Podcast bricht ihre Stimme: „Wenn diese Frauen, die ich meine, mich jetzt hören würden, würde ich sagen: ‚Haltet durch, es wird besser.‘ Und ich arbeite daran, dass es schneller besser wird, mit sehr, sehr vielen Menschen.“

Auch für traumatisierte Frauen in Krisen- und Kriegsgebieten gibt es Menschen, die daran arbeiten, dass es besser wird. Preeti Malkani ist eine beeindruckende Frau, deren Herzensweg ebenfalls im sozialen Engagement stattfindet. Sie hat der internationalen Organisation „womenforwomen“ aus eigenem Wunsch 2018 eine deutsche Instanz aufgebaut.

In diesen fremden Ländern ist sexuelle Gewalt an Frauen normal, es wird sogar als Kriegswaffe eingesetzt: Im Krieg zu leben ist für sie gefährlicher als für einen Soldaten. Und dennoch bilden gerade diese Frauen eine Sisterhood, die ihresgleichen sucht. Preeti sagt: „Die Kraft und der positive Spirit von Frauen im Wiederaufbau ihres Lebens, obwohl sie das Schlimmste erlebt haben, hat mich zutiefst bewegt. Wir können leider nicht ändern, was passiert ist. Unsere Kernarbeit besteht darin, nach vorne zu blicken, um sein Leben in den Griff zu bekommen und zu gestalten. Eine Frau, die unser Programm durchläuft, gibt ihr Wissen im Schnitt an fünf weitere Frauen weiter. Das Gelernte gibt den Frauen eine andere Stellung innerhalb der Community. Sie sind Vorbild für ihre Töchter, für ihre Söhne, die Männer respektieren sie anders.“

Preeti und Gülay wissen, dass der Winter für all jene ohne Schutz die härteste Jahreszeit ist. Die eine arbeitet präventiv in einem Land, in dem es möglich ist. Die andere leistet Aufbauarbeit in Ländern, in denen durch vorherrschende Krisen keine Prävention möglich ist.

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Beide haben erfahren, wie groß die Hilfsbereitschaft ist, wenn klar gezeigt wird, was man tun kann.

Eine Kernerkenntnis für Preeti ist: „Wir können alle etwas machen. Dies sollte man niemals unterschätzen.“ – Ein Lächeln oder ein warmes Wort sind manchmal schon alles, was es braucht. Gerade jetzt, im Winter.

 

 

Die Zitate sind folgenden Podcasts entnommen, wo auch das gesamte Gespräch gehört werden kann:

#haveatalk mit Preeti Malkani

#haveatalk mit Gülay Ulas

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