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Zwischen Fassaden, Sehnsüchten und Müttervisionen

Zwischen Fassaden, Sehnsüchten und Müttervisionen

Katharina Pommer
Muetter - The Bold Woman

Diese Kolumne ist Teil des Specials “Mom Shaming” 

Die „Müttermafia“

Hast du schon gehört, xy ist schon wieder Mutter geworden. Ich bin ja mal gespannt, wie sie das hinbekommt. Bei dem Job wird sie die Doppelbelastung nicht lange durchhalten. Ich wette, sie gibt auf und wird eine von diesen frustrierten Frauen, die nur noch in Jogginghosen am Spielplatz das Kind hin und her schaukeln und deren Ehemänner mit Jüngeren fremdgehen.”

 

Stop Mom Shaming
Stop Mom Shaming

Es passiert völlig unerwartet. Wir bereiten gerade das Essen für unsere Kinder zu, sortieren die rosafarbenen Leggins in den Schrank, nehmen ein Bad oder gehen mit dem Hund, den die Kinder unbedingt wollten, Gassi. Vielleicht beobachten wir aber auch gerade eine Mutter, die verzweifelt mit den Tränen kämpft, weil sie im Supermarkt hilflos ihrem bockenden Kind zu erklären versucht, dass es heute keine weiteren Süßigkeiten gibt. Oder wir liegen völlig erschöpft im Bett, sehnen uns nach ein paar Streicheleinheiten ohne lästige Hintergedanken, doch unser Mann hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht und guckt Sportschau.

Plötzlich ist er da. Dieser eine Moment. Er kommt meist so unverhofft und plötzlich, dass wir ihm rasch eine knappe Antwort geben müssen, ehe er sich nagend festsetzt und uns womöglich noch in seinen Bann zieht. Dieser eine Moment wirft alles über Bord: Fantasie, all die Perfektion, all die Maßstäbe und Vorgaben, um eine perfekte und »richtige Mutter« zu sein.

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Dieser Moment entfacht in uns den Wunsch, einfach nur wir selbst sein zu können. Liebend, gebend, aber all das in einer herzerfrischenden Unvollkommenheit, die so menschlich ist, dass wir uns zum ersten Mal als Mutter und Frau echt und real fühlen. Ein Leben ohne Perfektion. Ein Leben ohne Maske. Eben mitten drin im Leben. Echt. Hautnah. Praktisch und im Alltag. Ein Leben frei von Schuldgefühlen oder To-do-Listen. Ein Leben, in dem wir mit Humor, Selbstironie und auch etwas Stolz auf unsere Röllchen, Fältchen, Wäscheberge, pädagogische desaströsen Antworten auf Kinderfragen und dunkle Augenringe blicken. Ein Leben, in dem wir uns als Frau und Mutter rundum wohlfühlen.

Erlauben wir uns, diesen Gedanken freien Lauf zu lassen, bleibt für einen kurzen Moment die Zeit stehen und wir sehen uns selbst in einer anderen Wirklichkeit. Einem Leben, in dem wir entspannt und rundum zufrieden sind. Fern dem ständigen Gefühl der Zerrissenheit und dem Anspruch, allen gerecht werden zu müssen. Fern von Blogartikeln mit konstruierten Alltagsproblemen und idealisierten Reaktionen, die uns den letzten Rest an Kraft rauben. Vielleicht sehen wir uns einfach glücklich in den Spiegel blickend und liebevoll die Röllchen streicheln, die uns daran erinnern, dass unser Körper einem kleinen Menschen als Zuhause diente und dadurch deshalb einfach etwas mehr an Raum gewann. Vielleicht sehnen wir uns aber auch die Zeit herbei, in der wir mit einem echten, zufriedenen Lächeln im Gesicht und sauberen Kleidungsstücken am Körper, frei von Schoko-Abdrücken der kleinen Fingerchen, das Haus verließen. Oder wir träumen davon, endlich Anerkennung und Wertschätzung vom Staat, der Politik, der Gesellschaft und im Job für unsere Mutterschaft zu erhalten, und verlieren uns genussvoll in dieser Vorstellung, deren Realität schon gut 30 Jahre überfällig ist!

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