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Scheintot im Büro: Was ich vom Sterben über das Leben lernte

Scheintot im Büro: Was ich vom Sterben über das Leben lernte

Antje Grube
Vom Tod lernen - The Bold Woman Story

Scheintot im Büro: Was ich vom Sterben über das Leben lernte

Ich saß im Büro, als das Telefon klingelte. Es war meine Mutter, die mir sagte, dass sie gerade ins Krankenhaus eingewiesen worden war, weil da irgendetwas in ihrer Lunge war.

Ich saß auch vier Wochen später im Büro, als sie anrief, um mir die lang befürchtete Diagnose mitzuteilen: Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium.

Und auch weitere acht Wochen später saß ich im Büro. Dieses Mal rief das Krankenhaus an: „Ihre Mutter hatte einen Hirnschlag.“ hieß es. „Sie sollten sich beeilen, wenn Sie sie noch einmal lebend sehen wollen.“

Im Büro zu sitzen war damals normal für mich. Es erschien mir wichtig, jeden Morgen pünktlich dort zu sein, meine Arbeit bestmöglich zu verrichten, ab und zu ein paar Überstunden zu machen. Den Sinn hatte ich bis dato nie in Frage gestellt. Auch nicht, ob mir das überhaupt Spaß machte, was ich da tat. Man muss doch arbeiten. Geld verdienen. So dachte ich…

Mit der Erkrankung und dem Tod meiner Mutter begann sich mein Leben zu verändern. Nicht sofort, nicht von einem Tag auf den anderen. Es war eher ein schleichender Prozess, aber er war unaufhaltsam.

Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter

Meine Mutter starb 2014. Die letzten Monate mit ihr sind bis heute etwas sehr Besonderes für mich. Wir haben viel Zeit zusammen verbracht und ich durfte von ihr lernen, was der Spruch bedeutet „Lebe jeden Tag, als wäre es dein Letzter“.

Früher hatte ich mich immer gefragt, wie das denn gehen soll. Ich kann ja nicht jeden Tag einfach machen, wozu ich Lust habe – zum Beispiel spontan kündigen, mein ganzes Geld vershoppen oder fünf Stücken Sahnetorte essen oder der doofen Kollegin endlich mal so richtig die Meinung sagen …

Dank meiner Mutter hab ich verstanden, dass es so auch gar nicht gemeint ist. Sie hat mir gezeigt, worum es wirklich geht im Leben:

Von dem Tag an, als sie ins Krankenhaus kam, hat sie angefangen, jeden einzelnen Tag zu genießen.

Sie hat sich an der Sonne erfreut, wenn sie schien. Und wenn es regnete, saß sie zufrieden in der Cafeteria. Sie liebte es, dort Latte macchiato zu trinken, und schwärmte jeden Tag aufs Neue, dass es das Beste wäre, was sie jemals in ihrem Leben getrunken hatte.

Wir gingen zusammen im Park spazieren und sie begeisterte sich für jedes Blümchen, für Schmetterlinge und zwitschernde Vögel. Es hatte etwas Kindliches und war dennoch weder albern noch seltsam. Sie hüpfte vor Freude, wenn ihr danach war und steckte alle mit ihrer guten Laune an.

Und auch sonst war sie ausgesprochen freundlich und hilfsbereit zu ihren Mitmenschen. Sie versuchte, in allem und jedem nur noch das Beste zu sehen und verzieh alles, was schief ging oder nicht zu ändern war.

Manchmal fragte ich mich, ob sie mir zuliebe nur so tat, als wäre sie fröhlich. Immerhin schwebte eine schreckliche Diagnose im Raum. Doch als ich sie fragte, sagte sie zu mir: „Weißt du, ich kann das mit dem Tumor ja nicht ändern. Der ist eben da und ich weiß, dass ich nicht mehr gesund werde. Aber im Moment fühle ich mich gut, also lass uns das doch einfach genießen.“

Diese Worte haben mich sehr beeindruckt und ich begann, auch mein eigenes Leben mit anderen Augen zu betrachten.

Probier’s mal mit Gelassenheit

Das erste, was sich änderte, war meine Gelassenheit. So viele Dinge, die mich vorher genervt oder ärgerlich gemacht hatten, betrachtete ich jetzt einfach nur noch mit einem Schulterzucken.

Leider – oder zum Glück, ganz wie man es sehen möchte – erstreckte sich das auch auf meine Arbeit. Worüber sich da tagtäglich im Büro so aufgeregt wurde, erschien mir plötzlich vollkommen unwichtig. Ich saß zunehmend frustriert in stundenlangen Meetings, in denen über Zahlen und Zielerreichungen debattiert wurde und fragte mich, ob das alles wirklich wichtig war.

Irgendwann kam der Tag, an dem meine Chefin zu mir sagte: „Ich hab das Gefühl, Sie nehmen Ihre Arbeit nicht mehr ernst.“

Und sie hatte absolut Recht. Ich empfand meinen Job bei der Sparkasse inzwischen als sinnlos und als eine Verschwendung meiner kostbaren Lebenszeit. Denn auch, wenn ich von meiner Mutter gelernt hatte, jeden Tag zu genießen, egal wie die Umstände sind, spürte ich sehr deutlich, dass die Zeit gekommen war, die Umstände zu ändern.

Ich fang dann mal von vorne an

Die Erkenntnis war das eine, die Umsetzung jedoch eine ganz andere und völlig neue Herausforderung. Was macht man, wenn man mit 40 plötzlich das Gefühl hat, noch einmal von vorne anfangen zu wollen? Das geht doch nicht! Oder vielleicht doch?

Glücklicherweise steuerte zu dieser Zeit mein Sohn gerade auf sein Abitur zu und mir wurde bewusst, dass er danach ja auch ganz neu anfangen würde. Studieren, eine Ausbildung machen, sich für einen Beruf entscheiden – all das lag noch vor ihm und ich fragte mich, was mich daran hinderte, es ihm gleich zu tun. Nur weil ich schon 20 Jahre älter war, hatte ich ja wohl das gleiche Recht auf einen Neubeginn.

Gesagt, getan.

Ich begann ein 18-monatiges Fernstudium als Psychologische Beraterin, nahm einen Nebenjob als Texterin für einen Blog zum Thema „Selbstbewusstsein“ an und versuchte die ganze Zeit, der Freude zu folgen – so wie ich es von meiner Mutter gelernt hatte.

Da mir das Schreiben viel Spaß machte, ergriff ich ein Jahr später die Chance, die Texter-Stelle in Vollzeit auszuüben. Nach 23 Jahren kündigte ich meinen sicheren Job und stürzte mich ins Abenteuer …

Vom goldenen Käfig in die Ratlosigkeit

Ich merkte schnell, dass zwischen „nebenbei schreiben“ und „hauptberuflich schreiben“ Welten lagen. Was ich anfangs für meinen absoluten Traumberuf gehalten hatte, wurde zunehmend anstrengend. Dazu kam, dass es mich mehr und mehr störte, nicht so schreiben zu dürfen, wie ich wollte und Entscheidungen umsetzen zu müssen, mit denen ich nicht einverstanden war.

Mir wurde klar, dass ich den goldenen Büro-Käfig verlassen hatte, nur um nun im selbst geschaffenen Gefängnis zu sitzen …

Wieder begann also die Suche nach meinem Weg. Und nicht zum ersten Mal kam das Gefühl auf, ich hätte alles falsch gemacht. Der Freude und dem Herzen folgen – alles schön und gut. Vielleicht kann man das machen, wenn einem nur noch wenige Monate bleiben. Wenn allerdings noch das halbe Leben vor dir liegt, sieht die Sache irgendwie anders aus.

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich am Grab meiner Mutter stand und sie unter Tränen um Hilfe bat. Schließlich hatte sie mich in gewisser Weise auf diesen Weg gebracht, also sollte sie mir nun auch gefälligst zeigen, wie es weitergehen sollte. Im Grunde glaubte ich nicht wirklich daran, dass das helfen würde, auch wenn ich stets das Gefühl hatte, von ihr begleitet und beschützt zu werden. In diesem Moment jedoch war ich so verzweifelt, dass ich einfach ALLES ausprobiert hätte.

Auf dem Rückweg vom Friedhof telefonierte ich mit einer Freundin und erzählte ihr, woher ich gerade kam. Wie so oft, wenn ich über meine Mutter sprach, traf ich auf Verwunderung, dass ich mit dem Thema so entspannt und fast schon fröhlich umgehen konnte.

Und wie immer fing ich an, es zu erklären: Warum ich meiner Mutter so unendlich dankbar bin, wieso ich die letzten gemeinsamen drei Monate so sehr genossen habe und was ich daraus alles für mich und mein Leben gelernt habe.

Daraufhin sagte die Freundin: „Das musst du aufschreiben. Das wäre so ein tolles Buch.“

Und ich antwortete: „Ach Quatsch! Wen interessiert das denn?“

Voller Freude in den Bankrott

Zwei Tage später saß ich bereits am Laptop und schrieb. Der Titel des Buches stand fest, die inhaltliche Struktur ebenfalls. Und ich konnte nichts anderes mehr tun, als zu schreiben. Ab und zu musste ich mich zwingen, zu schlafen, zu essen oder auf die Toilette zu gehen …

Meinen Texter-Job hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch wieder gekündigt und eigentlich war der Plan gewesen, mich als Online-Coach selbständig zu machen.

Eigentlich.

Denn nun war da dieses Buch und es wollte definitiv geschrieben werden. Es fühlte sich so an, als hätte es all die Jahre nur darauf gewartet, denn meine Erinnerungen waren so klar, so detailliert und so präsent, als wären alle Erlebnisse gerade mal fünf Wochen her und nicht fünf Jahre.

Ich hatte das Buch innerhalb eines Monats fertiggestellt und zum ersten Mal spürte ich dabei diese kindliche Begeisterung, die ich bei meiner Mutter so bewundert hatte. Plötzlich erinnerte ich mich, dass ich schon in der dritten Klasse angefangen hatte, ein Buch zu schreiben und ein unvollendeter Fantasyroman auch seit 20 Jahren in irgendeiner Schublade schlummerte.

Noch einmal wagte ich es also, dem Weg der Freude zu folgen.

Hoffnungsvoll klammerte ich mich an all diese Sprüche:

„Erst wenn du springst, wirst du merken, dass du Flügel hast.“

„Wenn du tust, was du liebst, ist der Erfolg unvermeidbar.“

Es gab ja unzählige solcher Weisheiten. Hatte sie vor mir wirklich schon mal jemand ausprobiert? Ich meine – so WIRKLICH wirklich?

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Vielleicht war ich naiv. Oder dumm. Oder einfach unverbesserlich optimistisch …

Ich verbrauchte erneut meine Ersparnisse, während ich mein Buch veröffentlichte und anfing, Lesungen und Interviews zu geben. Ich erschien in der Zeitung, schrieb derweil bereits an meinem zweiten Buch und lebte endlich meinen Traum: Ich war eine Autorin!

Allerdings eine Autorin ohne Einkommen.

Die alles entscheidende Entscheidung

Obwohl mein Konto und mein Kühlschrank immer leerer wurden, weigerte ich mich, aufzugeben.

Ich hätte jederzeit zurück gekonnt. Sowohl in meinen Bürojob als auch in die Texter-Stelle. Doch ich sträubte mich innerlich so sehr dagegen, dass ich das einzig Verrückte tat, was mir noch blieb: Ich kündigte meine Lebensversicherung.

Das rettete mich für weitere zwei Monate.

Zwei Monate, in denen ich mein zweites Buch vollendete und emotional dabei die Hölle durchquerte. Noch nie zuvor hatte ich Existenzangst gehabt. Noch nie zuvor war ich in der Situation gewesen, nicht zu wissen, wovon ich die nächste Miete bezahlen würde. Es war schrecklich. Es fühlte sich an, als würde ich sterben. Und dann kam ich an den Punkt, der alles änderte …

Wider Erwarten war dieser Wendepunkt nicht der Durchbruch à la Harry Potter. Ganz im Gegenteil. Es war der Punkt, an dem ich NICHTS mehr hatte. Weder Geld noch Hoffnung. Es war der absolute Tiefpunkt, an dem ich jedoch eine Entscheidung traf:

Ich entschied mich, allen Umständen zum Trotz glücklich zu sein!

Mir wurde klar, dass ich die Wahl hatte, ob ich mir von äußeren Umständen die Laune verderben lassen wollte oder nicht. Meine Situation war, wie sie war – ob ich nun frustriert war oder fröhlich. Fröhlich fühlte sich jedoch eindeutig besser an.

Und von diesem Tag an änderte sich alles.

Nein, nicht hinsichtlich meines Erfolgs oder meines Kontostandes (jedenfalls nicht sofort). In meinem Inneren änderte sich etwas. Endlich hatte ich das erreicht, wonach ich all die Jahre gestrebt hatte:

Ich fühlte und fühle mich so lebendig, so voller Freude und innerem Frieden, wie ich es bei meiner Mutter beobachtet hatte. Und DAS ist es, wofür es sich zu leben lohnt!

Hast du auch eine Story, die es wert ist erzählt zu werden? 

Hast du etwas richtig tolles erlebt, etwas was außerhalb deiner Komfortzone lag und das nicht 0815 Status Quo war? Willst du damit mal so richtig auf den Tisch hauen und allen Menschen zeigen, was eine Powerfrau in dir steckt?

Und vor allem andere Frauen damit inspirieren?

Oder aber du hast eine schwere Zeit durchlebt, hast alles überstanden und stehst jetzt mit erhobenem Kopf da. Willst du anderen Frauen zeigen, dass alles möglich ist, egal wie ausweglos eine Situation erscheinen mag?

Wir glauben: 

Every Woman has a Story. 

Lass uns deine hören:

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