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Warum müssen sich immer noch vor allem Mütter rechtfertigen?

Warum müssen sich immer noch vor allem Mütter rechtfertigen?

Nathalie Kluever
Mütter rechtfertigen

Mütter müssen sich erklären, wieso sie schon nach zwölf Monaten wieder anfangen zu arbeiten.
Mütter müssen sich erklären, wieso sie Teilzeit arbeiten wollen.
Mütter müssen sich genauso erklären, wenn sie Vollzeit arbeiten wollen. Oder dreiviertel. Oder wieso sie überhaupt arbeiten wollen.

Warum müssen sich immer noch vor allem Mütter rechtfertigen?

Mütter müssen erklären, wo denn ihre Kinder sind, wenn sie einkaufen gehen.
Mütter müssen sich erklären, wieso sie einen Abend ausgehen.
Mütter müssen sich erklären, wenn sie alleine in den Urlaub fahren.
Mütter müssen sich erklären, wenn sie auf eine Geschäftsreise fahren. Oder wieso sie nicht auf eine Geschäftsreise fahren.
Mütter müssen sich vor ihrem Arbeitgeber und auch vor der Arbeitgeberin erklären, wie sie das hinbekommen wollen mit Arbeit und Kinderbetreuung.

Kennst du das auch?

Mütter müssen sich rechtfertigen, ständig und überall: Wieso bekommst du Kinder, wenn du Vollzeit arbeitest? Vermisst du deine Kinder nicht, wenn du alleine verreist? Wer bringt die Kinder ins Bett, wenn du zum Yoga gehst? Wer holt deine Kinder von der Kita ab, wenn du länger im Meeting sitzt? Hast du kein schlechtes Gewissen, wenn du nicht bei deinem fieberkranken Kind bleibst, sondern dein Mann?

Kennst du das auch?

Gibt es Gleichberechtigung und Vereinbarkeit?

Väter müssen das alles nicht erklären, es fragt sie nicht mal jemand. Niemand fragt einen Vater, wieso er nach der Geburt einfach weiterarbeitet, statt Elternzeit zu machen.

Niemand fragt einen Vater, wer auf das Kind aufpasst, wenn er zur Messe quer durch Deutschland jettet. Niemand fragt einen Vater, wo denn sein Kind ist, wenn man ihm im Supermarkt über den Weg läuft. Und niemand fragt einen Vater, wer das Kind ins Bett bringt, wenn er abends seine Joggingrunde dreht. Und nein, es ist auch kein Gesprächsthema bei Bewerbungen, wie das mit der Kinderbetreuung organisiert ist.

Väter müssen andere Dinge erklären. Sie müssen erklären, wieso sie ihre Karriere aufs Spiel setzen, um bei ihrem Kind zu sein. Wieso sie auf das kranke Kind aufpassen müssen und wo denn die Mutter sei. Wieso sie mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen wollen. 

Gläserne Decken überall!

All so was.

Was soll ich sagen, mein Blick auf die Gleichberechtigung hat sich verändert, seit ich Mutter bin. Denn sobald Kinder da sind, zeigt sich, dass die Gesellschaft noch lange nicht so weit ist, wie sie manchmal vorgibt zu sein. Ich dachte 30 Jahre lang, dass das mit der Gleichberechtigung eigentlich ganz gut klappt – bis ich zum ersten Mal Mutter wurde und schnell lernte, wo überall gläserne Decken lauern. Ich wurde mir der Ungleichbehandlung erst richtig bewusst, als ich in der Elternzeit hörte, dass mein bisheriger Job als freiberufliche Korrespondentin ja nicht mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren sei.

Die Flexibilität würde ja fehlen und bei den Abendterminen könne man mich ja eh nicht mehr einsetzen. Die Entscheidung wurde getroffen, einfach so, ohne dass mir die Gelegenheit gegeben wurde, zu zeigen, dass ich es organisieren kann, dass es klappt, dass es gar kein Thema ist, auch mal abends zu einer Veranstaltung zu gehen, um darüber berichten. Als Mutter bist du dann halt mal eine Weile weg vom Fenster, ist halt so. 

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Ist Frau nur mit Kind im Anhang vollständig?

Und das ist eines der Probleme auf dem Weg zu echter Vereinbarkeit (das, was es zurzeit gibt, muss ja eigentlich eher Unvereinbarkeit heißen, wenn wir ehrlich sind). Es müssen sich unglaublich viele Rahmenbedingungen ändern, von Arbeitszeitmodellen bis hin zu Betreuungszeiten in Kindergärten und Schulen – aber es muss sich auch die Einstellung in den Köpfen ändern.

Nicht nur in den Köpfen der Arbeitgeber*innen, sondern allgemein in der Gesellschaft. „Die Mutter kümmert sich immer noch am besten ums Kind“, dieser Satz ist einzementiert in vielen Köpfen, nicht nur in der heutigen Seniorengeneration. Er wird uns ebenso entgegengebrüllt, wenn wir uns durch den Instagramfeed scrollen und uns die Supermamas mit ihren Fondanttorten ein schlechtes Gewissen machen. Er wird uns entgegengebrüllt, jedes Mal, wenn wir gefragt werden „Wo ist denn dein Kind?“. Als ob wir nur mit Kind im Anhang vollständig sind.  

Es ist noch ein weiter Weg – und in letzter Zeit habe ich oft das Gefühl, es gehe eher rückwärts als vorwärts. Warum sollen wir uns als Mütter rechtfertigen?

Mütter rechtfertigen

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